Feierabend? Eisern!

Politiker und Fußballfreunde gründeten Union vor 59 Jahren

Glückwunsch zum Geburtstag:

Mo, 20. Januar 2025
Politiker und Fußballfreunde gründeten Union vor 59 Jahren

Am heutigen Montag feiert der 1. FC Union Berlin seinen 59. Geburtstag und wünscht allen Fans, Mitgliedern, Sponsoren, Partnern, Freunden, Mitarbeitern, Trainern, Spielern und Gremiumsmitgliedern einen erfolgreichen Ehrentag – und niemals vergessen: Eisern Union!

Gründungsgeschichte

Der Sport hatte in der Deutschen Demokratischen Republik einen hohen Stellenwert: In den leistungsorientiert betriebenen Disziplinen und so auch im Fußball galt er der DDR als ein Instrument, international Anerkennung zu finden. Hierbei ging es um die Darstellung einer Überlegenheit des sozialistischen Systems gegenüber dem der kapitalistischen Staaten. Allerdings war der DDR-Fußball keineswegs auf einem Wege, dem beispielsweise in der Bundesrepublik, dem seit 1949 zweiten deutschen Staat, überlegen zu sein. Allein schon im europäischen Maßstab waren Auswahl- wie auch Klubmannschaften eher unterdurchschnittlich erfolgreich, sodass auch im eigenen Lande deren Ansehen nicht sehr groß war.

Die bis 1965 erfolgten Umstrukturierungen im Sportbetrieb zeigten nicht die erwartete Wirkung. So hielt der DFV, der Deutsche Fußball-Verband der DDR, in einer 1964 vorgelegten „Konzeption von Vorschlägen zur weiteren Entwicklung der Arbeit“ fest, dass es notwendig sei, „weitere Maßnahmen einzuleiten, um über die europäische Klasse auf dem Gebiet des Fußballs zur Weltspitze vorzustoßen“. Das umfangreiche Dokument ging auf zahlreiche Aspekte ein und so auch darauf, dass es notwendig sei, „durch die Bildung von verschiedenen Schwerpunktmannschaften“ diesem Ziel sich zu nähern, „zur Hebung des Leistungsstandes“. Diese Schwerpunktmannschaften sollten Fußballklubs werden, und deren Grundlage sollten die Fußballabteilungen der bereits seit 1954 und 1955 bestehenden Sportklubs sein. In Berlin gab es 1964 derer drei: die der Sportvereinigungen Dynamo und Vorwärts, strukturell an Polizei, Staatssicherheitsministerium und Zoll beziehungsweise an die Armee angegliedert, und den Turn- und Sportclub Berlin als zivil organisiert und wirtschaftlich wesentlich von Großbetrieben der DDR-Hauptstadt getragen.

Die Verbandsanalyse stand dann auch, in überarbeiteter und konkretisierter Form, 1965 in der Betrachtung, sodass sich das zwischen ihren Parteitagen höchste aktive Gremium der die Politik im Lande bestimmenden Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands dem Thema widmete – die Vorschläge zur Kenntnis nahm und nicht zurückwies, und die Klubbildungsmaßnahmen bestätigte.
Das entsprechende Protokoll der Sitzung des SED-Zentralkomitee-Sekretariates trug die Unterschrift des hochrangigsten ostdeutschen Politikers, des Vorsitzenden des Staatsrates und Ersten Sekretärs des ZK der SED, Walter Ulbricht. Die Partei hatte bestätigt, der von ihr ausgerichtete Deutsche Turn- und Sportbund und so der Fußballverband als Fachverband übernahmen die Umsetzungen der Maßnahmen. Die Gewerkschaften, deren Mitträgerschaft des Leistungssportbetriebes bereits 1957 weitgehend zurückgedrängt worden war, verloren so ihren Einfluss vollständig.

Der Turn- und Sportclub Berlin arbeitete zu diesem Zeitpunkt noch unter der Patenschaft des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes, des FDGB. Der TSC-Vorgänger bis 1963, der Turn und Sportclub Oberschöneweide, war 1957 noch eine nahezu vollständige Gewerkschaftsgründung mit sehr umfangreicher struktureller und auch wirtschaftlicher Zuwendung. Der Bundesvorsitzende Herbert Warnke sei oft direkter Ansprechpartner für die Klubleitung gewesen, als ein großer Freund des Sportes, wie mit Werner Koch ein zeitweilig in den Vereinsvorstand abgeordneter Mitarbeiter Warnkes bestätigte und auch, dass die Gewerkschaft von da an letztlich entmachtet gewesen sei. „Der Genosse Paul Verner hat sich persönlich dafür eingesetzt“, berichtete der Leiter der Arbeitsgruppe Sport beim FDGB-Bundesvorstand, Hans Degebrodt, seinem Chef Herbert Warnke im Dezember 1965, dass die TSC-Fußballer dieselben Möglichkeiten erhalten sollten, „wie die anderen Fußballklubs, die gebildet werden.“ Paul Verner war Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees der SED und Berliner Parteichef – einer der wichtigsten Entscheidungsträger. Es sei „auf Drängen von Paul Verner festgelegt worden“, dass die TSC-Fußballsektion Klubstatus erhalte und nicht einer Betriebssportgemeinschaft angegliedert werde. Das zum Beispiel geschah mit den Fußballern des SC Cottbus – sie gehörten fortan zur BSG Energie. Herbert Warnke wurde mit dem Schreiben wie beiläufig nur noch von den Auswirkungen des Ganzen in Kenntnis gesetzt.

Für die 1966er-FC-Bildungen in der DDR, auch aus den SC in Rostock, Magdeburg, Leipzig, Erfurt, Jena, Halle, Karl-Marx-Stadt – dem heutigen Chemnitz –, und in Berlin aus den Dynamo- und Vorwärts-Sportklubs heraus, war der Januar 1966 vorgesehen. Bis dahin galt es, neben den wirtschafts- und sportstrukturellen Voraussetzungen auch Formales zu regeln. Die Auswahl der jeweiligen Klubleitungsmitglieder beschäftigte den DTSB-Vorstand ebenso wie die vorgesehenen Namen. So gab es zunächst beispielsweise Einwand gegen „1. FC Chemie Halle“. Für den in Berlin aus der TSC-Fußballabteilung zu gründenden Klub war lange Zeit kein konkreter Name erwähnt, bis am 11. Januar 1966 neben dem bestätigten Vorstand auch „1. FC Berlin“ angegeben wurde.

Seit Dezember 1965 hatten die Vorbereiter der Köpenick-Oberschöneweider Klubgründung, Verbands- und TSC-Leitungsmitglieder, keine Gewerkschaftsvertreter, stets von einem aus dem TSC hervorgehenden Klub geschrieben und über Zeitungen und den Rundfunk die Berliner Fußballfreunde aufgerufen, Namen- und Emblemvorschläge zu unterbreiten. Das Gründungskomitee um den Berliner DTSB-Chef Heinz Busch wollte „die Entscheidung nicht ohne die Anhänger der Mannschaft von der Alten Försterei treffen“, wie es in der Zeitung B. Z. am Abend hieß.

Schließlich trafen 286 Einsendungen mit 475 Anregungen und Entwürfen bei den Verantwortlichen ein. „1.“ und „Union“ setzten sich dank der Zuschriften durch, „Berlin“ war, der Heimatstadt verpflichtet, förmlich vorgegeben wie auch „FC“. Aber erst am 18. Januar 1966 bestätigte der Verband auch diesen konkreten Namen.

Weshalb dieser Name erst zwei Tage vor der Gründungskonferenz Bestätigung fand, ist bis heute unklar; es hatte im Vorfeld zahlreiche Sitzungen beim DTSB gegeben, in denen so auch anstelle „1. FC Chemie Halle“ der „Hallesche Fußballclub Chemie“ und all die weiteren Bezeichnungen anerkannt wurden. „Der Wunsch der Fußballer“ sei es gewesen, „weiterhin unter dem Namen TSC zu spielen“ hatte Hans Degebrodt Herbert Warnke noch mitgeteilt. Offenbar aber hatte keiner derjenigen, die den neuen Namen vorgeschlagen hatten, auch einen brauchbaren Emblementwurf eingesandt. Sollte der Name von vornherein erst während der Gründungskonferenz am 20. Januar 1966 bekanntgegeben werden, so fehlte für das Überraschen der etwa 300 Gäste in Klubhaus des Transformatorenwerkes Oberschöneweide noch das optische Element. Eine vorbereitete Tafel zeigte dementsprechend nur den Schriftzug.

Um 17 Uhr hatte die Versammlung begonnen, ihren Höhepunkt bildete Heinz Buschs Satz „Es lebe der 1. FC Union Berlin!“ – damit sei der Klub nun gegründet, schrieb der Berichterstatter der Sportzeitschrift Berliner Fußball. Er listete zuvor auch Ehrengäste des Abends auf und benannte, der Rangfolge entsprechend, zuerst Paul Verner und an zweiter Stelle Konrad Naumann, den Kandidaten des SED-ZK und Sekretär der Berliner Bezirksleitung. Einen Vertreter der Gewerkschaft erwähnte der Autor nicht – weder von der Bundes- noch von der Berliner Ebene war ein Verantwortlicher anwesend. Kein Gewerkschaftsvertreter gab eine der Grußadressen ab.

Es hatten allerdings die Abgesandten der beiden zuvor in Berlin neu gegründeten Klubs gegrüßt – so erinnerte sich Paul Fettback, der zum Klubsekretär berufen worden war. Auch Paul Verner und dem TSC-Vorsitzenden Gerhard Michael war es vorbehalten, Ansprachen vor den Gästen zu halten. In locker-sachlicher Weise sei der Spätnachmittag abgelaufen, erzählte Paul Fettback, „wir hatten nicht vor, eine richtige Festivität zu veranstalten, wir haben keine Tanzveranstaltung gemacht.“ Der konstituierte Vorstand habe mit Sekt auf seine künftige Arbeit angestoßen. Dass das Grünungskomitee „bewusst einen bescheidenen Rahmen gewählt“ hätte, erfuhren auch die Leser der B. Z. am Abend am Folgetag.

Zum Vorsitzenden hatte der DTSB mit Werner Otto den Generaldirektor der Vereinigung Volkseigener Betriebe Hochspannungsgeräte und Kabel berufen und bestätigt. Jenem Industriezweig gehörte auch das Oberspreer Kabelwerk an, das zum wichtigsten der Trägerbetriebe ausgewählt worden war. Auch dessen Direktor, der zu dieser Zeit parteilose Techniker Georg Pohler, nahm dementsprechend einen Vorstandssitz ein, wie auch der Minister des Industriebereiches, Otfried Steger. Sie und auch der Parteivertreter Hans Wagner waren die Vertreter der wirtschaftlichen und politischen Unterstützer des Klubs. Das operative Tagesgeschäft lag nun managerartig in den Händen von Klubsekretär Paul Fettback, einem leidenschaftlichen Fußballfreund mit bisheriger SED-Laufbahn. Sein Stellvertreter wurde Günther Mielis, SED, der sich bereits bei den Vorgängerklubs als Nachwuchstrainer Vertrauen erworben hatte. Den Spielern, die anwesend waren, gab die Versammlung ein erstes Ziel auf den Weg: Aufstieg der I. Mannschaft in die höchste Spielklasse, die Oberliga. Union war der einzige Zweitligist unter den neuen Klubs.

Rot und Weiß – die Vereinsfarben bestimmten seit 1951 den Köpenicker Fußball. Sie waren die der Sportvereinigung Motor, als im August des Jahres die Leistungsträger der Union-Oberschöneweider der Betriebssportgemeinschaft Motor Oberschöneweide beigetreten waren. „Ziemlich Einmütigkeit“ habe 1966 bestanden, dass die Farben „auch weiterhin rot-weiß bleiben sollten“, hieß es dazu in Berliner Fußball – „die Farben unserer Stadt“. Auch der TSC Berlin hatte sich rot-weiß gezeigt. Ein Klubemblem sahen die Unioner erst im Februar. Der Vorstand hatte den Gebrauchsgrafiker Peter Gribat beauftragt, dieser legte ihm eine Reihe von Entwürfen vor; der bis heute genutzte und in den Jahren bisher minimal veränderte war ursprünglich symbolisch von Laub umkränzt, während ebenso die Andeutung des Balles im Zentrum in der Urfassung radiert erscheint.

Nicht nur das Emblem zeigt bis heute deutlich, was die Klubgründer richtig machten, damals. Es war in der 1964er DTSB-Konzeption auch „die Abkapselung der Fußballsektionen und der tausenden Fußballanhänger“ als „der entscheidende Fehler“ seit 1954 festgehalten worden. Den festgestellten Mangel an Verbundenheit der Sportfreunde mit den Vereinen sollte die Möglichkeit, Förderndes Mitglied werden zu können, auflösen. Mehr als 69.000 Union-Mitglieder heute sind durchaus ebenso die Folge der damaligen Beschlüsse.