Unions historisches Jahr 2023
Unvergessen und unbeschreiblich:
Für die Bundesliga-Mannschaft des 1. FC Union Berlin geht mit den kommenden Tagen ein Jahr zu Ende, dass allen Beteiligten wohl auf ewig im Gedächtnis bleiben wird.
Serientäter und Historienschreiber
Nach der längsten Liga-Winterpause aller Zeiten starteten die Eisernen im Januar mit einer punktereichen und beeindruckenden Serie ins neue Kalenderjahr. Sechs Erfolge in Serie – Stadtderby inklusive – spülten den Club von Tabellen-Rang 5 bis auf Platz 2 und auch das DFB-Pokal-Achtelfinale gegen den VfL aus Wolfsburg an einem turbulenten Transfer-Deadline-Day überstand das Team schadlos. Während Danilho Doekhi mit drei Treffern im Januar zwischenzeitlich sogar der torgefährlichste Innenverteidiger der Top-Ligen war, sparte das Kollektiv im Februar für kurze Zeit bei der Offensivpower. Da die Zwischenrunde der UEFA Europa League aber aus Hin- und Rückspiel besteht, konnte die Mannschaft das Blatt nach dem 0:0 im Hinspiel noch zu ihren Gunsten wenden und Ajax Amsterdam mit einem furiosen 3:1 im Rückspiel aus dem Wettbewerb kicken. Das erstmalige Achtelfinale in Europa war also gebucht.
Wiedersehen und Stolz
Der ersten Jahresniederlage gegen den deutschen Rekordmeister folgten im März vier weitere Partien ohne Sieg. Die zwei torlosen Remis gegen Köln und Wolfsburg bildeten außerdem den Rahmen für ein schnelles Rematch der besonderen Art. Wie bereits in der Gruppenphase trafen die Eisernen auf den belgischen Namensvetter Royale Union Saint-Gilloise, mussten sich aber diesmal geschlagen geben und verabschiedeten sich aus dem Abenteuer Europa. Auch die feuchtfröhliche Zeit der internationalen Spiele im Stadion An der Alten Försterei war damit vorerst beendet.
Zwischenhoch und Pokalaus
Den März beendete das Team mit dem ersten Liga-Heimerfolg seit Anfang Februar und weil das so schön war, folgte dem 2:0 gegen die Frankfurter Eintracht zwei Wochen später ein 3:0 gegen den VfB Stuttgart. Noch vor Ostern revanchierten sich die Hessen jedoch für die Liga-Pleite und kegelten ihrerseits die Eisernen aus dem DFB-Pokal. Da man in Köpenick das ursprünglich anvisierte Ziel der 40 Punkte mittlerweile erreicht hatte, lag der Fokus von da an voll und ganz auf der Bundesliga und dem großen Ziel „internationaler Fußball zum Dritten“.
Spannung und Last-game-Entscheidung
Bis zum Ende der Saison erlebten die Union-Anhänger eine wahre Ergebnis-Achterbahn: Keine zwei Spiele in Folge endeten mit der gleichen Tendenz. Mit zwei Unentschieden gegen Bochum und Leverkusen konnte man aber die beeindruckende Serie von ungeschlagenen Heimspielen fortsetzen und spätestens der 4:2-Erfolg gegen den SC Freiburg stieß die Tür zur Königsklasse ganz weit auf. Mit dem finalen 1:0 gegen Werder Bremen machte Rani Khedira alles klar und versetzte Mannschaft, Stadion und Stadt in eine vollendete Ekstase. Das Team setzte den Höhenflug der vergangenen Jahre fort, blieb zu Hause ohne Niederlage, erreichte in der Endabrechnung Rang 4 und qualifizierte sich erstmals in der Vereinshistorie für die UEFA Champions League.
Wasserschlacht und Transferoffensive
Die Vorbereitung auf die neue Spielzeit startete mit einem Hitzeaufenthalt in Bad Saarow, führte das Team zum Auswärtstest ins noch heißere Ungarn, bot den Fans ein Heimspiel gegen Christophers Trimmel früheres Team Rapid Wien und fand ihren regnerischen Höhepunkt beim Trainingslager im Wildkogel-Vorort Bramberg. Der Abschluss der Sommervorbereitung geriet vor 20.000 Unionern an der Alten Försterei zu einem wahren Fußballfest. 4:1 hieß es am Ende gegen den italienischen Testgegner Atalanta Bergamo. Parallel wurde der Kader umgebaut und mit neuen Spielern angereichert. In bewährter Manier handelte es sich dabei um junge, vielversprechende Talente und um erfahrene Akteure, die bereits auf dem Niveau überzeugt hatten, das Union nun erstmals erreicht hatte.
Starker Start und Tabellenführung
In die neue Spielzeit 2023/24 startete die Mannschaft unter Cheftrainer Urs Fischer stark und torreich. Dem souveränen 4:0 in der ersten Runde des DFB-Pokals beim FC-Astoria Walldorf folgten zwei identische Siegergebnisse: Jeweils mit 4:1 wurden erst Mainz und dann Darmstadt bezwungen. Nach zwei Spieltagen grüßte der FCU vom Platz an der Sonne, hatte sechs von acht Treffern per Kopf erzielt und der stürmende Kevin Behrens war der erste Spieler seit Unions Bundesliga-Zugehörigkeit, der nach zwei Spielrunden ohne Elfmetertreffer bei vier Bundesliga-Toren stand.
Gruppenwahnsinn und Talfahrt
Eine ärgerliche 0:3-Niederlage gegen RasenBallsport Leipzig beendete die beeindruckende „Im-Stadion-An-der-Alten-Försterei-ungeschlagen-Serie“ nach 24 Begegnungen – doch die Euphorie kannte trotzdem keine Grenzen. Immerhin war drei Tage zuvor in Monaco wieder einmal Historisches geschehen: Union war Teil der Gruppenauslosung für die neue Spielzeit der UEFA Champions League. Als Bonbon bescherte die Losfee dann neben Fahrten ins bereits aus der Europa League bekannte Braga auch Ausflüge nach Neapel und zu Real Madrid.
Ladehemmungen und Pech
Denkbar knapp verlor das Team die erste Königsklassenpartie – wie vom Fußballgott höchstpersönlich arrangiert, fand diese ausgerechnet gegen und bei den Königlichen in Madrid statt. Bis in die letzte Minute der Nachspielzeit hatte man ein 0:0 gehalten, ehe Jude Bellingham mit seinem Treffer die Hoffnung auf einen Punktgewinn zunichte machte. Auch in Gruppenspiel Nummer zwei unterlag man dem Gegner in gewissermaßen letzter Sekunde. Im Berliner Olympiastadion, Unions zeitweiliger europäischer Heimat, setzte der SC Braga mit dem Abpfiff den Lucky Punch. Ein Hoffnungsschimmer waren immerhin die beiden eigenen Tore, hatte das doch in fünf Partien zuvor nur ein einziges Mal geklappt.
Ladehemmungen und Pech II
Mittlerweile stand der Zähler der in Serie verlorenen Spiele bei 6 und auch gegen Dortmund, Stuttgart, Neapel, Bremen, erneut Stuttgart im Pokal und Frankfurt musste man sich geschlagen geben. Ebenso nahezu statisch verblieb die Zahl der erzielten Tore, einzig beim 2:4 gegen den BVB ließ man die so sehr vermisste eigene Torgefahr aufblitzen.
Ergebnisreform und Personalwechsel
Es war der 8. November 2023, also fast genau 34 Jahre nach einer anderen für viele Unioner wichtigen Zeitenwende, als die Anzeigetafel am Schluss einer Union-Begegnung ein Unentschieden auswies. Mit viel Kampf und Leidenschaft hatte sich das Ensemble um Kapitän Christopher Trimmel ein 1:1 in Neapel erkämpft und damit zumindest die Niederlagen-Serie beendet. Auf einen 0:4-Rückschlag bei Tabellenführer Bayer 04 Leverkusen folgte dann das, was niemand im Union-Universum wollte: Cheftrainer Urs Fischer und Co-Trainer Markus Hoffmann verließen den Verein nach fünfeinhalb Jahren. Interimsweise übernahm das U19-Trainerduo Marco Grote/Marie-Louise Eta und holte in der Bundesliga gegen Augsburg ebenfalls einen Zähler. Es war der erste Punkt seit dem 4:1-Erfolg in Darmstadt Ende August.
Neu und siegreich
Zwar erst im zweiten Anlauf, aber unter der Leitung des neuen Cheftrainers Nenad Bjelica gelang den Eisernen gegen die Borussia aus Mönchengladbach beim 3:1-Heimerfolg erstmals seit 16 Partien ein voller Erfolg. Auch vier Tage zuvor, bei seinem Seitenlinien-Debüt gegen Braga coachte der Kroate das Team bereits zu einem Punktgewinn und hielt so die Hoffnungen auf Platz 3 in der Champions League-Gruppe am Leben.
Hoffnung und Versöhnung
Im Stile eines Finales empfingen die Unioner am letzten Spieltag der Königsklassen-Vorrunde den bereits feststehenden Gruppensieger Real Madrid, aber auch das Parallelspiel zwischen Neapel und Braga war an diesem Abend entscheidend. Trotz der keineswegs einfachen Hinrunde spielten die Eisernen ums (internationale) Überleben und hätten den spanischen Giganten auch beinahe zu Fall gebracht. Letztlich waren es vielleicht die fehlende Erfahrung und ein wenig Spielpech, was in der Endabrechnung Rang 3 kostete, aber ungeachtet dessen war es für alle Menschen im und um den Verein ein einmaliges Erlebnis. Wenige Tage vor Weihnachten feierten die Eisernen bei der abschließenden (Heim-)Partie des 2023er Spieljahres gegen den 1. FC Köln ein letztes Fußballfest, bejubelten einen 2:0-Erfolg und gingen so mit einem positiven Gefühl in die wohlverdiente Jahreswechselpause.