Was eine Fahrt nach Braunschweig so alles auslöste …
Eisern trotz(t) Handicap
Es war Montag, der 08.05.2017. Wir trafen uns so um etwa 12 Uhr mittags an der Alten Försterei. Wir, das waren ganz viele Unioner, mit und ohne Handicap, Organisatoren, Unterstützer, Sponsoren, selbst Tusche kam vorbei. Alle waren ganz aufgeregt, ganz besonders Mirco – er freute sich schon seit Langem auf diese Fahrt. Große und kleine Busse standen bereit, Tische waren für Orga-Zwecke aufgestellt und es gab auch zu Essen und zu Trinken.
Ziel war ein Ligaspiel der Eisernen gegen Eintracht Braunschweig, 32. Spieltag, ein Spitzenspiel – der Vierte zu Gast beim Tabellenzweiten. Viel wichtiger jedoch: Es war die erste Auswärtsfahrt für Unioner mit Handicap, die durch die Initiative „Eisern trotz(t) Handicap“ organisiert wurde.
Mirco hatte sich auch angemeldet. Mirco selbst war bisher eigentlich fast nur bei Heimspielen dabei, im Stadion An der Alten Försterei war ja immer alles ganz einfach, der großartigen Handicap-Betreuung sei Dank. An Auswärtsspiele wagte sich Mirco nur sehr zögerlich heran. Zwei Auswärtsspiele hatte er aber schon auf dem Konto, das erste spektakuläre Pokalspiel in Dortmund im Oktober 2016 und dann noch - auf Einladung eines Kumpels von Mirco - ein Ligaspiel in Kaiserslautern bei den Roten Teufeln einen Monat später. Beide wurden verloren und am Abend des besagten 08.05.2017 stand fest, dass auch das dritte Auswärtsspiel von Union in Folge, das Mirco sah, ohne Punktgewinn und sogar mit einem Mann weniger auf dem Platz ausging. Die Eintracht um Ken Reichel, den späteren Unioner, hatte eigentlich alles im Griff und gewann 3:1. Spätestens aber seit Dortmund war Mirco bereits klar, dass Union auch auswärts mehr als nur Fußball ist, viel mehr sogar.
So stand Mirco dann also auf dem Parkplatz vor der Alten Försterei, pünktlich, was auch immer als pünktlich bei Union durchgeht. Alles wirkte für den unerfahrenen Beobachter ziemlich chaotisch, man sollte sich anmelden und dann musste noch jeder Teilnehmer der Fahrt einem Bus zugeordnet werden. Es gab besondere Schals und Lunch-Pakete für unterwegs. Mittagessen war in einem Hotel auf einem Zwischenstopp geplant. Volles Programm! Ein Verein, der von den Mitgliedern gestaltet und geprägt wird, das ist Union!
Bei der Anmeldung stellte sich dann plötzlich heraus, dass Mirco gar nicht auf der Liste stand! Irgendetwas war bei der Anmeldung schiefgelaufen. Enttäuschung machte sich auf Mircos Gesicht breit. Die währte aber nicht lange: Kurzerhand gelang es, einen Rollistellplatz im Stadion dadurch freizumachen, dass ein Rollifahrer sich bereit erklärte, auch einen „normalen“ Sitzplatz zu nehmen, damit Mirco mitfahren konnte. Grandios! Sich für andere einsetzen, auch das ist Union!
Auf der Fahrt nach Braunschweig gab es dann den Zwischenstopp an einem Hotel für ein Mittagessen. Es gab verschiedene Menüs zur Auswahl – für jeden Geschmack etwas, Schweinelendchen oder Lachs oder eben auch vegetarisch. Sehr feine Sachen, zwar – um ehrlich zu sein - nicht so lecker als die Stadionwurst bei Union, aber schon nahe dran. Danach wurde sich dann noch einmal zusammengesetzt und Janine gedacht, unserer ehemaligen Behindertenbeauftragten, die im Jahr zuvor bei einem Motorradunfall ums Leben kam. Harry Layenberger, unser damaliger Hauptsponsor, kam höchstselbst dazu und sprach ein paar schöne Worte. Mirco hatte seinen roten Union-Hoodie an, den Janine und Mario ihm noch zwei Wochen vor dem Unfall zu seinem Geburtstag geschenkt hatten. Union – niemand wird vergessen!
Direkt nach dem Spiel in Braunschweig beantragte Mirco seine Dauerkarte. Am 17.06.2017 wurde sie ausgestellt. Mirco hat seit dem Spiel in Braunschweig 29 weitere verschiedene Auswärtsstadien gesehen, unter anderem in London das Loftus Road Stadium der Queens Park Rangers anlässlich des Freundschaftsspiels gegen Union im Juli 2018. Mirco wurde nach dem Spiel dann noch vom Behindertenbeauftragten von QPR in den Vereins-Pub eingeladen, im Schlepptau Unioner, die sonst üblicherweise die VIP-Lounges an der Alten Försterei unsicher machen und sich nicht einig wurden, wer nun Mirco schieben darf. Vermutlich können die QPR-Fans und -Offiziellen trotz aller Thekengespräche bis heute nicht begreifen, warum Fans ihren Verein frenetisch bejubeln, auch wenn er chancenlos ist und 3:0 verliert.
Ein Jahr später sah er das Spiel zum Saisonauftakt der Premier League von Liverpool gegen Arsenal an der Anfield Road. Die Fahrt nach Braunschweig war für Mirco in der Tat der Auslöser für unzählige schöne Erlebnisse und Erfahrungen mit tollen Menschen, ob nun in Heidenheim, Aue oder eben auch in München oder London. Mit den grundlegenden Werten von Union, denen eines Unioners sowie seiner Haltung zum Verein wurden Mirco stets Respekt und Anerkennung entgegengebracht. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass Union im besten Sinne identitätsstiftend für Mirco geworden ist.
Aktuell ist das Banner von „Eisern trotz(t) Handicap“ bei Mirco als Botschafter gelandet. Beim Pokalspiel gegen Türkgücü Anfang August dieses Jahres war Premiere: Mit eisernem Charme konnte Mirco die örtlichen Offiziellen davon überzeugen, das Banner auf der Haupttribüne flaggen zu dürfen, obwohl es dort üblicherweise wohl gar nicht zulässig ist! Auftrag ausgeführt!
Abschließende Erkenntnis ist daher: Überall dort, wo Mirco mit Union war, war er nie allein. Das bleibt zunächst noch der „kleine“ Unterschied zum Besuch der Anfield Road… aber das kann sich ja noch ändern.